Ghostly Bodies
Susan Morris & Berenice Olmedo – Körpererweiterung
13. März – 25. April 2025

Susan Morris, Motion Capture Drawing (ERSD): View From Above, 2012, Courtesy the artist and Galerie Scheublein + Bak, Zurich, © Susan Morris, VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Ausstellungsort
ERES Projects
Theresienstraße 48
80333 München
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Öffnungszeiten
On view 24 hours 7 days
Ausstellung
Abwesend und dennoch präsent. Der menschliche Körper steht im Fokus der beiden ausgestellten Werke von Susan Morris und Berenice Olmedo, wenngleich nur Spuren von ihm erkennbar sind. Formal sehr unterschiedlich angelegt, haben die Arbeiten eines gemeinsam: Sie konstruieren Körper durch technische Erweiterungen.
Bei Susan Morris (*1962, UK) kommen moderne Technologie, die Erfassung von Zeit und die Dokumentation von Bewegung zusammen. Die britische Künstlerin arbeitet seit mehreren Jahrzehnten mit digitalen Tracking-Geräten wie beispielsweise Acti-Watches, die sie am Körper trägt, um damit ihre tägliche Routine oder sich scheinbar wiederholende Gesten aufzuzeichnen. Es geht ihr um die Produktion neuer Körperbilder. Die Daten für das in der Ausstellung gezeigte Werk »Motion Capture Drawing (ERSD): View From Above« (2012) sind in einem Motion-Capture-Studio aufgenommen worden, wo Morris’ Körper mit sechs Reflektoren an Händen, Kopf und Rücken versehen wurde. Diese haben über den Zeitraum von zwei Tagen jede ihrer Bewegungen beim Anfertigen einer Zeichnung aufgenommen und abgespeichert. Den digitalen Datensatz aus 3D-Koordinaten überträgt Susan Morris ins Zweidimensionale – in einer Serie aus Seitenansicht, Vorderansicht und Aufsicht, wobei letztere in der Ausstellung zu sehen ist. Die aufgezeichneten Bewegungen erscheinen als wolkenartige Bilder, als dünnes Netz aus weißen Linien vor einem dichten schwarzen Hintergrund. Jedes »Bewegungsdiagramm« wird als großformatiger Inkjet-Print gefertigt, wobei nur das Schwarz darauf tatsächlich gedruckt ist, während das Weiß der Linien nichtbedruckter Negativraum bleibt. Der nahezu tänzerische Rhythmus, den die Körperbewegungen und gewohnheitsmäßigen Gesten im Bild hinterlassen, macht bewusst, dass selbst alltägliche Tätigkeiten eine eigene Logik besitzen und als digitale Spur erfassbar sind.
Die mexikanische Bildhauerin Berenice Olmedo (*1987, MEX) richtet ihre Aufmerksamkeit seit längerem auf versehrte, gezeichnete Körper und auf Menschen, die aufgrund leiblicher Makel an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Dabei stellt sie beharrlich die Frage nach körperlicher »Normalität« und den oft unerbittlichen gesellschaftlichen Standards, die über perfekte Körperbilder entscheiden. Ihre transluzenten Abgüsse aus Plastik sind Orthesen oder Prothesen nachempfunden, mechanische Hilfsmittel, die Verstümmelungen kompensieren oder Fehlhaltungen korrigieren sollen. Am dünnen Faden und scheinbar schwerelos hängen Olmedos Skulpturen im Raum, umfassen ein unsichtbares Schicksal, das ganz unmittelbar berührt und eine persönliche Nähe zu einer unbekannten Person herstellt. Die Vorlagen für ihre Plastiken stammen teilweise aus medizinischen oder Reha-Archiven, in denen Abgüsse von Prothesen versehrter Personen aufbewahrt werden. »Regina« (2020), so der Titel der ausgestellten Arbeit, zeigt eine Kinderprothese in fröhlichen Pastellfarben mit Arretierungsriemen und mechanischen Gelenken. Mit der konkreten Namensnennung der Person, für die die Prothese ursprünglich gedacht war, individualisiert Olmedo das technische Gerät und verleiht ihm durch künstlerischen Eingriff eine poetisch-anmutige Note, was durch die im Spitzentanz verharrenden Ballettschuhe noch verstärkt wird. Mit ihren Skulpturen schafft Olmedo einen starken Kontrapunkt zur vermeintlich »normalen« Unabhängigkeit des Körpers und hebt hervor, wie sehr wir doch auf technische Erweiterungen angewiesen sind und diese in digitaler Form als implantierte Chips, elektronische Tattoos oder High-Tech-Anzüge mit Aktoren zur Illusionserzeugung taktiler Empfindungen bereitwillig annehmen. Gesellschaftlich tabuisiert jedoch werden nach wie vor Prothesen zum Ausgleich körperlicher Versehrtheit. Doch wie abhängig wir gerade in Zeiten neu eskalierender Kriege und Gewalt von solch technischen Hilfsmitteln sind, zeigt die zunehmende Zahl im Gefecht verstümmelter Soldatinnen und Soldaten.